Erfahrungen aus erster Hand


Von Mark Riklin


RAPPERSWIL-JONA – Erstmals in der Geschichte der Geberit AG ist der Weltkonzern Gastgeber einer Wirtschaftswoche, die in Zusammenarbeit mit der Industrie- und Handelskammer IHK St.Gallen-Appenzell durchgeführt wird. In den Genuss dieser Premiere kommen Lernende des Talent-Campus Zürichsee und des SBW EuregioGymnasiums Romanshorn. Eine einmalige Chance, die Herausforderungen einer Geschäftsleitung hautnah zu erleben. Eine Woche wie aus einem Guss. Impressionen vor Ort.

Von Mark Riklin

Geberit Informationszentrum, im Auditorium. «We are a toilet company und wir sind stolz darauf», beginnt Alireza Hosseini seine Unternehmens-Präsentation über die Firma Geberit mit einem breiten Schmunzeln im Gesicht, während im Hintergrund Spülkasten-Geräusche hörbar sind. Kein Wunder, feiert der Weltkonzern doch dieses Jahr sein 150jähriges Jubiläum. Auf seinem Streifzug durch Geschichte und Gegenwart des Unternehmens erzählt der Head of Production über Produktpaletten, Werte und die Mission, die Lebensqualität der Menschen verbessern zu wollen. Seine aufmerksamen Zuhörer:innen: 18 Gymnasiast:innen, die Alireza Hosseini mit Fragen nach der Marketingstrategie, dem Umgang mit kulturellen Unterschieden oder dem Einsatz künstlicher Intelligenz bei Liefer-Engpässen herausfordern.

Host der Wirtschaftswoche

Was an diesem Montagmorgen im Epizentrum des europäischen Marktführers für Sanitärprodukte stattfindet, ist der Auftakt in die diesjährige Wirtschaftswoche des Talent-Campus Zürichsee und des SBW EuregioGymnasium, die in Zusammenarbeit mit der Industrie- und Handelskammer IHK St.Gallen-Appenzell durchgeführt wird. Erstmals in der Geschichte des Unternehmens stellt sich die Geberit AG als Host einer Wirtschaftswoche zur Verfügung. «Sehen Sie uns als Kunden oder als zukünftige Mitarbeitende?», will Erion wissen. «Kunde sind Sie schon», behauptet Alireza Hosseini mit einem Augenzwinkern. Zudem wolle sich die Geberit AG nicht über Fachkräftemangel beklagen, ohne selbst aktiv zu werden. «Die Jugend ist unsere Zukunft», sagt Hosseini, die Wirtschaftswoche biete die Möglichkeit, sich als Arbeitgeberin vorzustellen. Zudem habe die Woche einen Sensibilisierungseffekt: «Die meisten Jugendlichen werden heute Abend nach Hause gehen, ihre Toilette unter die Lupe nehmen und realisieren, dass sie bereits Geberit-Kunde sind.»

Langlebigkeit der Produkte

Ein bisschen fühlt sich der erste Vormittag an wie ein Ausblick aufs Studium, die Unternehmens-Präsentation wie eine Vorlesung. Was sie denn von diesem Input mitgenommen hätten, werden einzelne Jugendliche in der Pause gefragt. «Dass so viel mehr hinter einer WC-Schüssel steckt, im wörtlichen und im übertragenen Sinne, hat mich überrascht», sagt Katarina Metlar vom Talent-Campus Zürichsee. Besonders interessiert hätten sie die Massnahmen im Bereich Nachhaltigkeit, was Verpackung und Wassersparen betreffe. Niklas Meuli vom SBW EuregioGymnasium haben die Langlebigkeit der Produkte, die Nähe zu den Kunden und die Identifikation der Mitarbeitenden mit dem Unternehmen besonders beeindruckt. Qualitätsmerkmale, die er in die Simulationsaufgabe dieser Woche mitnehmen wolle.

Produktideen fürs stille Örtchen

Auf diesem Boden startet das Simulationsspiel WIWAG® unter Leitung von Sebastian Wehle, Apotheker und Unternehmensberater, und Dr. Nadine Itel, Leiterin der Dienststelle Schulgesundheit der Stadt St.Gallen. Als erstes sind Produktideen gesucht, die einen Bezug zur Firma Geberit haben und in der Preisklasse von rund 100 Schweizer Franken pro Stück angesiedelt werden können. In einem Multivoting-Prozess schaffen es vier Ideen in die Endauswahl: ein selbstreinigendes Handtuch, ein wasserabweisender Wärmeteppich, ein Antibeschlag-Spiegel und eine automatische Türrahmen-Trocknung. Der letztgenannte Vorschlag macht das Rennen, worauf sich die Jungunternehmer:innen mit dem Auftrag in ihre Gruppen zurückziehen, um Name, Logo und Claim ihrer Firma zu erfinden.

Investition in die Nachhaltigkeit

In den nächsten Tagen geht es Schlag auf Schlag. Im Schnellverfahren werden mehrere Geschäftsjahre durchlaufen, immer wieder wichtige Entscheidungen getroffen. «Aufgrund des Wachstums im 11. Geschäftsjahr erlaubten wir uns, in die Nachhaltigkeit zu investieren – mit dem Ergebnis, einen Preis für Nachhaltigkeit zu gewinnen», sagt Niklas Meuli, seit Montag CEO der Breezer AG. Was sie allerdings zu wenig beachtet hätten, dass sie mit ihren Produkten mehr Geld verlieren als verdienen. Mit einer Preiskorrektur und Sparmassnahmen hoffen sie nun, das Problem möglichst schnell in den Griff zu bekommen. «Mal schauen, wie die Kunden auf die Änderung reagieren werden», schaut Niklas Meuli zuversichtlich und gelassen in die Zukunft.

Work-Life-Balance

Durch die unmittelbare Nähe zur Geberit AG stehen täglich Expert:innen aus verschiedensten Unternehmensbereichen wie Produktion, Marketing oder Personalwesen Red und Antwort und geben einen realistischen Einblick in Alltag und Handwerk eines Unternehmens. Als CHRO ist für Katarina Metlar das Gespräch mit der Personalchefin der Geberit besonders aufschlussreich. Sie nehme mit, dass die Work-Life-Balance ein wichtiger Punkt sei, und die Geberit sehr gut auf ihre Mitarbeitenden achte. «Diese Aufgabe ist nicht immer einfach. Man muss gut einschätzen können, wann und wo man wie viel Personal benötigt, im schlimmsten Fall muss man gar Mitarbeitende entlassen.» Man dürfe diesen Job auf keinen Fall unterschätzen, kommt Katarina Metlar zum Schluss.

Tapetenwechsel

Am Donnerstagnachmittag geht die Wirtschaftswoche mit der Generalversammlung zu Ende – eine Woche wie aus einem Guss. Die Firma Breezer AG schneidet im Wettbewerb mit den drei Mitstreiterinnen trotz Zwischentief am besten ab. Katarina Gromova, Leiterin des Talent-Campus Zürichsee, dankt der IHK St.Gallen-Appenzell für die Vermittlung und Organisation als Drehscheibe, den beiden Spielleiter:innen für Prozessgestaltung und Coaching, und der Geberit AG als Gastgeberin für die einmalige Gelegenheit, die Wirtschaftswoche im Hauptsitz eines Weltkonzerns durchführen zu können: «Raus aus dem Schulsetting mitten hinein in die Arbeitswelt macht es einfacher, gewohnte Muster zu verlassen und neue Rollen auszuprobieren.» Die gestaltete Umgebung eines realen Unternehmens färbt ab auf Habitus, Einstellung und Motivation der Lernenden. Und auch Anita Dreher, Leiterin des SBW EuregioGymnasiums, ist vom Tapetenwechsel angetan: «Von Profis Erfahrungen aus erster Hand und verschiedenen Perspektiven zu erhalten, hinterlässt einen bleibenden Eindruck.»

 


Die wichtigsten Erkenntnisse aus der Wirtschaftswoche

Dass ein Unternehmen zu führen, schwieriger ist, als ich dachte, da man auf so viele Sachen gleichzeitig schauen muss. (Katarina Metlar)



Dass Teamwork und Kommunikation essenzielle Teile sind, ohne die nichts funktioniert. (Katarina Metlar)



Dass man seinen Plan verfolgen muss, auch wenn schwierige Zeiten kommen. (Katarina Metlar)



Dass man den Plan an die Situation anpassen soll, aber nie das Ziel. (Katarina Metlar)



Wie wichtig eine gute Präsentation ist. (Niklas Meuli)



Dass man immer auf seine Gewinnmarge achten muss. (Niklas Meuli)



Team work makes the dream work. (Niklas Meuli)